Der Stadtspaziergang „Mit allen Sinnen sehen", entwickelt von Julieta Jacobi im Rahmen ihres Dissertationsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Salzburg (BSVS), lädt dazu ein, die Salzburger Altstadt auf neue Weise zu entdecken.
Am 22. Oktober 2025 wurde das Konzept erstmals umgesetzt: Studierende und Interessierte begleiteten blinde und sehbehinderte Menschen durch Gassen, Plätze und stille Winkel – und erlebten dabei, wie vielfältig Wahrnehmung sein kann.
„Wie kann es sein, dass wir so etwas bisher noch nie gemacht haben – und dass wir blinde Menschen dabei gar nicht mitgedacht haben?“
– Teilnehmerin
Treffpunkt war das Blinden-Tastmodell neben der Franziskanerkirche – ein idealer Ort, um die Stadt zunächst mit den Händen zu „sehen“. Von dort aus begann der gemeinsame Weg durch die Altstadt: Studierende, Interessierte sowie blinde und sehbehinderte Menschen erkundeten Seite an Seite bekannte Plätze und verborgene Nischen.
Welche Eindrücke bleiben, wenn die vertraute visuelle Orientierung wegfällt?
Der Weg führte über unterschiedliche Bodenbeläge, entlang von Geräuschen und Gerüchen. Wer wollte, konnte mit einer Dunkelbrille und dem Langstock versuchen, Skulpturen zu erfühlen oder den eigenen Schritt über Kopfsteinpflaster zu lenken – eine Erfahrung, die Achtsamkeit schärft und Perspektiven öffnet.
Ein besonderes Erlebnis bot der Besuch in der Franziskanerkirche. Mit Dunkelbrille oder geschlossenen Augen traten die Teilnehmenden in den weiten Kirchenraum ein und spürten die veränderte Akustik – das Echo der Schritte, den Luftzug, den Klang der Stimmen. Es waren Momente der Stille, in denen die Wahrnehmung feiner wurde und jedes Geräusch Bedeutung bekam.
Danach führte der Spaziergang durch die Sigmund-Haffner-Gasse, die sich „blind gehend“ erschlossen wurde. Kopfsteinpflaster, Schaufenstergeräusche, vorbeigehende Menschen – all das wurde zu einem dichten Netz aus Hinweisen, das Orientierung auf neue Weise ermöglichte. Sehende Teilnehmende griffen zum Langstock und lernten in der Selbsterfahrung, wie anspruchsvoll aber auch bereichernd dieses andere Erleben ist.
Für mich wurde spürbar, wie sich die Distanzen verändern – zwischen Blinden und Sehenden, aber auch im eigenen Erleben. Solche Projekte zeigen, wie wichtig Mobilität ist. Ich bin jedes Mal beeindruckt, wie viele junge Menschen sich auf diesen Weg unter der Dunkelbrille einlassen.“
– Obmann Josef Schinwald
Die Begegnungen machten deutlich, dass Inklusion dort entsteht, wo Menschen gemeinsam lernen und erleben. Der BSVS lädt regelmäßig zu weiteren Sensibilisierungsformaten ein – etwa zum Frühstück im Dunkeln, bei dem ein vertrauter Alltagsmoment plötzlich zum neuen Sinneserlebnis wird: Sehen im Dunkeln | Blinden- und Sehbehindertenverband Salzburg